Unverhofft. Oft.

Reiseerlebnisse und Begeisterung sind immer eine Sache der Erwartungen, die man an ein Reiseziel hat. Wir sind zum Beispiel gerade in einem Ort namens Chengyang, den wir eigentlich gar nicht geplant hatten, und den wir aus Gründen der Einfachheit heute mit auf die Route genommen haben. Als praktische Übernachtungsmöglichkeit außerhalb der Stadt also, bevor wir uns dann morgen oder übermorgen an unser eigentliches Ziel, Zhaoxing begeben hätten. Dort soll das inzwischen etwas touristifizierte, aber immer noch sehr sehenswerte Volk der Dong leben, in traditionellen Gewändern und Gebäuden und all so was.


Wie sich herausstellt, leben in Chengyang auch Dong. Und es hier so zauberhaft, dass wir nicht wissen, ob wir da überhaupt noch rauffahren sollen.


Hostel um 7€ pro Nacht. Geht doch :)
Ein kleiner Fluss schlängelt sich um ein irritierend idyllisches Dorf, das zum gossen Teil aus Holzhäusern besteht, die Reisfelder wiegen sich sanft im Wind während in anderen Feldern gummischuhbewehrte Bauern rumstapfen uns was auch immer arbeiten. Und die hiesige Wind-und-Regen-Brücke soll ja ohnehin die schönste dieser Zunft sein, nicht, dass das bei meiner Fachkenntnis irgendeinen Unterschied machen würde :).


Die schönste aller Wind-und-Regen-Brücken. Glauben wir mal.
Also werden wir Zhaoxing Zhaoxing bleiben lassen, uns hier morgen noch Räder ausborgen und die Gegend erkunden. Das hier ist wirklich das andere China - nicht die ländlichste und nicht die ärmste Region des Landes, aber weit weg von ernsthafter Industrie und Hochhäusern.


Ein idyllisches Paradies? Ja und nein, und im Grunde: kaum. Natürlich sind viele Leute hier arm, natürlich hat der Tourismus hier Einzug gehalten und an dem kleinen Hauptplatz verkaufen unglaublich buckelige kleine alte Frauen Glücksbringer aus Stoff. Sie wirken billig: Ramsch, den man bei uns auf Jahrmärkten zu überteuerten Preisen angeboten bekommt, einen Seitenblick darauf wirft und denkt: billiger Tinnef aus Südostasien.
Der Unterschied ist nur, das wir hier in genau diesem Südostasien sind, und die Frauen selbst nähen und flechten, während sie auf Kundschaft warten. Dann stehen sie auf, so schnell wie es Alter und der Buckel erlauben, und stehen unverständliches Zeug redend vor einem, den Rücken nie über die horizontale erhebend. Man sieht, das die Finger zum Teil rot vom Nähen sind, und wir würden ihnen gerne etwas abkaufen, ja.


Schmetterling hin oder her: wer soll das kaufen?
Aber der Kopf sagt: ganz egal ob es eh irgendwie nett aussieht und die Dong das an ihren Autorückspiegeln haben, du wirst das niemals irgendwo aufhängen wollen, und würdest es nur irgendwo verstauen und in ein paar Jahren ausmustern.
Also wehrt man dankend ab und geht weiter. Wieder einmal.

Position:Chengyang, China

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