Transsib, Tag 2

Am Ende des ersten ganzen Tages in der Transsibirischen lässt sich mal generell feststellen, dass es hier nicht allzuviel zu tun gibt. Wer hätte das gedacht :-).

Unsere Bettnachbarin ist vor ein paar Stunden ausgestiegen. Sie hatte sich vor ihrem Ausstieg noch kurz umgezogen (ein Playboy(!) Kleid und High Heels - das sieht trotz ihrer 53 Jahre adrett aus), ihre in Kirov gekauften Stofftiere für ihre beiden Enkel eingepackt und weg ist sie. Ihren Platz nahm ein sonnenverbrannter junger Russe ein, der sich im wesentlichen sofort schlafen legt.

Die anderen Beiden (die Subcompartements, wenn man so sagen will, bieten Platz für maximal sechs Personen, aber der Zug ist nicht ausgebucht, daher sind's immer nur fünf) sind ebenfalls zwei junge Russen, maximal Mitte zwanzig. Beide gut trainiert und kahlgeschoren, sind sie trotzdem grundsympathisch. Der eine verbringt die meiste zeit des Tages mit schlafen, der andere - etwas unnahbarer - kann beträchtliche Zeiten lang aus dem Fenster sehen.

Insgesamt lässt sich eine leichte Veränderung der Stimmung wahrnehmen. Während die beiden Jungs gestern und heute Vormittag noch mit tratschen verbracht hatten, ist ihnen nun wohl der Gesprächsstoff ausgegangen. Kartenspiele lösen hier die Gespräche ab, während sich anderswo im Abteil die Stimmung lockert und die Leute zu plaudern beginnen.

Für uns macht das freilich kaum einen Unterschied - wir gehören nicht dazu, werden wahrgenommen, aber nicht einbezogen. Miss Playboy hatte einige Male tapfer mit uns konferiert, aber es ist halt einfach mühsam. Was bleibt, ist der erste Eindruck: es ist sehr ruhig. Wo ist der Wodka, wo ist die im Lonely Planet beschriebene Notwendigkeit für Kopfwehpulver und Sätze auf russisch wie :"Ich kann nicht mittrinken, ich bin Alkoholiker"?

Nicht in diesem Zug, das steht jedenfalls mal fest. Keine grölenden Russen, kein Wodka, keine Trinkgelage. Gesittetes Beisammensein im Grossraumwagon, gegenseitige Rücksichtnahme und die Erkenntnis, das die Russen wirklich gut warten können. Scheinbar endlose Stunden lang ist ihnen die Kombination aus abwechslungsloser Waldlandschaft und Sonnenblumenkernen genug. Vermutlich haben das die Jahrzehnte des Kommunismus tief in die Gene gegraben.

Als kleine Randnotiz sei noch vermerkt, dass die Hygiene ein wenig den Bach runtergeht. Toilettenpapier und Papiertücher sind (zumindest hier in der dritten Klasse) ausgegangen, und die zunächst noch recht passablen Toiletten/Waschraeume haben sich einen deutliche Schritt Richtung Autobahntoilette bewegt, so rein vom Olfaktorischen her. Außerdem wird scheinbar das Wasser knapp, bin mal gespannt, wann die da was nachfüllen.

Trotz dieser Details sind wir heilfroh, in der dritten Klasse zu sein. Ein kurzer Rundgang im Zug hat und heute gezeigt, dass zweite und erste deutlich uncooler und vermutlich deutlich langweiliger sind. Sieht aus wie bei uns, nur dass die Abteile eben abgetrennt sind und davor ein Gang existiert - ganz wie bei einem der alten Oebb Züge, in dem noch Sechserabteile existieren. Richtig öde.

Kommentare