Unter Prinzen und Königen

Sind gerade mit einem Kronprinzen in Westtimor als Guide in einem abgelegenen Dorf, dass nur per Flußüberquerung erreichbar ist, schlafen im Haus des Häuptlings, sitzen in einer mit Äffchenschädeln verzierten Versammlungshütte und essen Süßkartoffeln. Ziemlich surreal, das alles hier, und sehr sehr cool :). Glg R&R

Dieses vorhin getippte SMS an meine Eltern beschreibt recht gut, wie kurios der heutige und die letzten beiden Tage waren, und welches Glück wir hatten, Pae Nope als Guide zu bekommen.
Pae Nope

Nope ist - echt wahr - Prinz eines der hiesigen Königshäuser. Es gibt einige Königreiche auf der Insel, deren Oberhäupter eine Art Zwischenschicht zwischen der Bevölkerung und der indonesischen Regierung bilden. Entspricht also quasi einem Landeshauptmann, nur eben mit Erbreihenfolge.
Außerdem, und das ist für diese Geschichte wichtiger, ist er seit mehr als 20 Jahren Tourist Guide und dem Lonely Planet in dieser Aufgabe eine extra Erwähnung wert, was für sich schon einem fremdenführungstechnischem Ritterschlag entspricht. Wir hatten also hohe Erwartungen, und er hat sie weit übertroffen.
Raphi entspricht der Bitte um ein Gruppenfoto.
Passiert einem hier dauernd. So gut gekleidete Teens findet man aber selten.

Es gibt unter der Vielzahl der möglichen guten Reiseerfahrungen diese ganz besondere Form, bei der man in unregelmäßigen Abständen innehält und denkt "das ist jetzt nicht wahr, oder?". Diese sind am schwersten zu finden, viel schwerer als "wie cool das wir hier sind" oder "verdammt ist das hier schön". Pae Nope hat einige der ersteren auf Lager.
Westtimorianische Destillerie

Gestern Abend waren wir also beispielsweise bei seinen Verwandten - also den Mitgliedern des Königshauses - zu Gast, eingeladen bei der Abschiedsfeier des ältesten Sohnes Jusuf, der bald in Yokjakarta Geologie studieren wird. Wir sind unmittelbar die Sensation des Abends, werden mal offen und mal verstohlen angestarrt und enthusiastisch Inuit-style mit leichtem aneinanderreiben der Nasen begrüßt. Dann werden wir - während des Gebets - förmlich in das Wohnzimmer hineingeschoben, und sind unversehens inmitten eines hochintimen Familienerlebnisses. Die Großmutter hat bei ihrer Rede gerade zu weinen begonnen, die Männer im Raum schauen betreten, und während sie ein Taschentuch aus der Tasche fingert und fortfährt, ist Jusuf natürlich viel zu cool als das ihn das berühren könnte. Ihm gehört ohnehin die Welt, sobald seine Großmutter endlich ihre Rede abgeschlossen hat und er aus diesem Haus in die große weite Welt verschwinden kann. Ein ausgiebiges Essen und etwas Geplauder später wird der Abend in einer ausgiebigen Fotosession enden, bei der alle noch sicherstellen wollen, eine gemeinsames Foto von sich und uns auf dem Handy zu haben.
Gruppenfotoversuch bei den Royals. Nicht einfach.
ein hiesiger Palast. Nicht eben Schönbrunn,
anderseits herrschen die ja auch nicht über ein Reich,
in dem die Sonne nie untergeht

Und wir? Wir sitzen mittendrin und können es schlichtweg nicht fassen. Ein paar Stunden vorher hatten wir uns schon ausgiebig von der Hebamme des Dorfes Nome, Helena Talam, in ihrer verrauchten Holzhütte die lokalen Geburtsbräuche erklären lassen (sie hat noch nie ein Kind verloren).
Midwife vor und in ihrer Hütte.

die Kinder sind ja so bezaubernd schüchtern :)

Heute um die Mittagszeit hatten wir mit dem König eines anderen Teils der Insel über hiesiges und österreichisches Scheidungsrecht diskutiertet. Hier bezahlt man als schuldig geschiedener Mann übrigens zwei Kühe an die Familie der Frau, sollte jemand einen Umzug in Erwägung ziehen.
König und Königin. Eine Schuldige Scheidung kostet zwei Kühe, ein uneheliches Kind sechs.

Fussball? Gibt's wirklich überall.

Und vor zwei Stunden streunen wir durch die Gassen dieses wirklich entlegenen 600 Seelen Dorfes, sehen einer Frauen beim Weben einer Decke zu und der Nächsten beim Aufwickeln des dafür notwendigen Fadens (Raphi probiert das aus und ist nicht schlecht dabei), bis wir zum hiesigen Medizinmann kommen und er uns eine grossartige Massage angedeihen lässt. Danach gibts aus den hiesigen Reisfeldern stammenden Reis mit Gemüse.

Eingewickelt.

Abendessen unter Äffchenschädeln
Häuptling in Tracht

Das klingt alles viel zu sehr nach einem Potemkinschen Dorf, aufgestellt und eingerichtet für Touristen, wie dieses schreckliche Zerrbild eines Ortes südlich von Guilin. Aber das ist es nicht. Es gibt hier keine Verkaufsstände. Keine Straße, die diese Bezeichnung verdient hätte führt hierher, und in der Regenzeit wäre unsere Route nicht mal befahrbar gewesen.

Einen Schuh auszuziehen reicht ja auch. In der Regenzeit kämen wir aber nicht über diesen Fluss.

Während unseres Rundganges sind uns permanent mehr als ein Dutzend Kinder auf den Fersen, allesamt völlig aus dem Häuschen, und kichernd fast vor zu Boden fallen wenn wir uns umdrehen, Fotos machen wollen oder auch Schabernack treiben. In diesen Ort kommen nur zwei bis drei mal pro Monat Touristen - zu wenig, um die kindliche Neugierde in geldgierige Abgestumpftheit zu verwandeln. Nach Ende ist auch das eine sehr nette Abwechslung.

Blick über die Schulter. Ja, die laufen uns alle nach.

Zum Schluss noch ein paar unsortierte Impressionen der drei Tage mit Nope.


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