Eine Seefahrt, die ist lustig

Für eine genussvolle Seefahrt ist vermutlich gar nicht mal so viel nötig. Ein verlässlicher Guide/Skipper, ein Sicherheit vermittelndes Schiff, keine allzu raue See und ein wenig Bequemlichkeit an Bord.

Wir hatten nur halt nichts davon. Unser Guide für die kommende 4tagesBootstour Richtung Komodoinsel war ein kleiner schmieriger Mittzwanziger, mit jener unangenehmen Mischung aus geringem Selbstwert und gefühlter Macht ausgestattet, die solche Leute auf Anhieb unerträglich macht.
Schiff Modell Schuhschachtel
Das Schiff (dem Design nach einer hochkant aufgestellten Schuhschachtel nachempfunden, in die jemand mit grober Hand einen Bug gebogen hat, und außerdem nicht eben neu: ein selten hässliches Stück) hatte anstatt der maximal zulässigen sechzehn Passagiere dreiundzwanzig davon. Immerhin aber, das haben wir geprüft, einige Schwimmwesten. Genügend für so viele Menschen? Wer weiß das schon. Die ungeplante Anzahl an Menschen machte jedenfalls auch das Matratzenlager solide überfüllt und es relativ schwierig, von und zu seiner Schlafstatt zu kommen ohne über ein halbes Dutzend Leute zu fallen.
nicht leicht, hier durchzukommen
Und die ruhige See, naja. Unser schmieriger Guide (dessen Namen zu merken ich mich stets geweigert hatte), teilte uns am Abend des zweiten Tages mit, dass wir heute die ganze Nacht durchfahren würden um Sumbawa hinter uns zu lassen. Wir würden dann am nächsten Tag in Komodo einzutreffen.

Die See wurde bald relativ rauh, und die ersten Leute suchten den engen Kontakt zur Bordwand um die Fische mit Vorverdautem zu versorgen - auf dieser Nussschale von einem Schiff trugen die zum Teil deutlich über zwei Meter hohen Wellen stark auf.
Unser Schiff war kleiner, aber der Maßstab stimmt.
Einer englischen Mittzwanzigerin namens Jenny war es schon am Vortag bei leichtem Seegang nicht gut gegangen, nun aber ging es ihr wirklich dreckig: sie lag die meiste Zeit auf einer dünnen Matratze in der Mitte des Vordecks, hielt in Embryonalstellung ihre Füße umklammert und unterschied sich in ihrer Gesichtsfarbe kaum noch von den weißgetünchten Dielen. Ein bemitleidenswertes Bild des Elends, das noch mehr als zwölf Stunden dauern sollte. Armes Ding. Nur wenigen ging es in dieser Nacht gut, aber niemandem miserabler als ihr.

Richtig übel wurden die Dinge aber erst, als es dunkel wurde. Bei Tageslicht ist es einfach: da kann sich das Auge am Horizont festhalten wie ein Ertrinkender an einem Stück Holz. Doch bei Nacht sieht man nur das Schiff, und dessen Bewegungen stimmen so gar nicht mit dem überein, was das Innenohr fühlt. Kombiniere: Da stimmt was nicht, resümiert ein kleiner Nick Knatterton irgendwo im Hirnstamm, und schickt den Mageninhalt mal vorsichtshalber per Speiseröhre retour.

Mein Schienbein wird gerade von Natalie verarztet, als sich mein Körper dazu entschließt, auf diese Art auf Nummer sicher zu gehen. Und während ich also leidenschaftlich über die Bordwand kotze und währenddessen versuche, mein Bein ruhig zu halten - nicht eben einfach - wird da die Wunde gesäubert und ein einfacher Verband angelegt. Eine sehr, sehr skurrile Situation. Möglicherweise auch peinlich. Ein bisschen.

Moment mal: warum Schienbein verarzten? Ein paar Stunden vorher hat eine sicherlich gewaltige Welle das Boot getroffen, es stark schwanken lassen, und mich auf diese Art rückwärts aus der eben erst betretenen Bordtoilette (ohnehin ein ziemlicher Euphemismus) geworfen. Irgendwie hatte ich mir dabei bei diesem Sturz eine gut eineinhalb Zentimeter lange und erstaunlich Tiefe Wunde am Schienbein eingefangen.

Und noch ein Moment mal: warum Natalie? Nun, normalerweise hätte das wohl Raphi gemacht, aber die konnte sich zu diesem Zeitpunkt - wie die meisten an Bord - nicht mehr nicht allzu weit von der Bordwand entfernen ohne eine Sauerei zu riskieren :)

Natalie hingegen ist zwar mit jeder Menge Phobien - sie vergoss in dieser Nacht mehrmals Angsttränen - aber auch mit einer erstaunlichen Resistenz gegen die übelkeitsfördernden Effekte eines rollenden Schiffes ausgestattet. Abgesehen davon könnte sie mit ihrem Medipack - ganz die zukünftige Ärztin - eine kleine Apotheke eröffnen, auch praktisch.
Auch anderen war das ganze auf und ab herzlich egal: Laurent (wir haben ein Händchen für irre Franzosen) war hauptsächlich damit beschäftigt, seine Fischleinen auch bei diesem Wetter im Wasser zu behalten. Gefangen hat er leider trotzdem vier Tage lang nichts, und wie sehr hätten wir uns über echtes Essen gefreut.
Das Gepäck ist noch nicht mal annähernd verstaut, aber Laurent wickelt schon an seiner Fischleine herum.
All dieser Dinge ungeachtet - man verdrängt solche Nächte ja recht schnell - war der Fahrt sehr ok. Wir kamen an ein paar sehr, sehr schöne Schnorchelstrände.
leider geil.
Wir kamen an ein paar Orte, die der Lonely Planet zweifellos als Jaw-Dropping bezeichnen würde.

Ankern verboten? Und wenn schon.
Und, natürlich: wir waren auf Komodo. Warane jagen (freilich mit Kameras).

ich kann freudig berichten, dass die Viecher so beeindruckend sind wie erhofft :)

Kommentare

  1. Beim Lesen euer Erlebnisse von dieser Schifffahrt hat sich immer nur eine Frage gestellt: Habt ihr das vorher nicht gewußt, oder seid ihr total irre?

    lg rob

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  2. Hey Rob,

    Beides. Wir hatten das vorher nicht gewusst (die Tour, die wir ursprünglich nehmen wollten war ausgebucht, und das die Alternative). Der Touroperator war nicht so zuverlässig, aber es schien eine gute Idee, war einen Tag länger und ein wenig günstiger. Zudem war es ein Schiff mit weniger Passagieren - da wir große Gruppen eher meiden, klang aus das gut.

    Wir hatten freilich nicht bedacht, dass das auch ein wesentlich kleineres Schiff sein würde, und manchmal büsst man eben für einen solchen Mangel an intellektueller Weitsicht :)



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