Wenn sich China erhebt, erzittert die Welt.

Wir wollen ein wenig später auf den Grund zurückkommen, hier ein napoleonisches Zitat als Titel zu wählen. Beginnen wir doch etwas früher.

Allerorten liest man, dass Peking nach der Mongolei einen immensen Kulturschock darstellt. Das ist völlig korrekt.

Allerdings: der Kulturschock beginnt deutlich früher, und zwar an der chinesischen Grenze. Nicht durch irgendwelche andersartigen Grenzkontrollen: wenn sich ein Berufsstand auf der Welt überall gleicht, so sind es Grenzbeamte.

Es war der Bahnhof. Er war sauber. Alle Bodenflächen waren eben, alle Steinfliesen gleichmäßig und fachmännisch verlegt. Auf den wirklich vielen Lichtsäulen waren pro Stück zumindest 15 Lichtkörper, und ALLE FUNKTIONIERTEN. Auf den Bahnsteigen erklingt sanfte Musik. Die Bahntrasse war durch einen ordentlichen Zaun vom Rest der Welt getrennt, und im Hintergrund sieht man Gebäude, die im vagen Schein des Lichts zwar nicht gut zu erkennen sind, aber auf jene vertraute Art ordentlich aussehen, die man in Europa eben gewohnt ist.

Die restlichen paar Stunden Fahrt bis Peking kann man wahrlich Seltsames aus den Fenstern beobachten. Landwirtschaftlich genutzte Flächen, beispielsweise. Sauber asphaltierte Straßen. Unzählige Baukräne. Ein paar wirklich architektonisch bemerkenswerte Brücken und Bauwerke in der Ferne.

Seit Moskau City, und eigentlich seit Wien, haben wir nichts dergleichen mehr gesehen, und es macht mich sehr nachdenklich. Kilometer um Kilometer intensiv genutzte Fläche zieht vorbei, seien es Felder, irritiernd hohe Wohnblöcke oder industrielle Anlagen. Auch wenn man ja irgendwie weiß, das China eine Weltmacht ist, ist das nicht das Bild in meinem Kopf.

Dort halten sich kitschige Bilder von strohhuttragenden Reisbauern und idyllischen Kormoranfischern auf der einen, und mit in einem Sweatshop eingesperrten Textilarbeitern und unter Peitschenhieben iPhones herstellenden Foxconn Mitarbeiter auf der anderen Seite die Waage.

So sieht China nur in meinem Kopf aus.
Aber dies hier, dies ist beeindruckend, einfach durch die Länge der Fahrt. Während vor den vorbeiziehenden Fenstern scheinbar jeder Quadratzentimeter Landes genutzt wird, hat wenig jenen gleichgültigen kommunistischen Charakter, der uns in Russland und der Mongolei so vertraut wurde.

Das hier ist vielleicht noch nicht europäischer Standard, aber auch nicht sehr weit weg. In einem Land, das noch vor wenig Jahrzehnten zu den ärmsten der Welt gehörte und das gut darauf geachtet hat, die wirtschaftlichen Fehler der Tigerstaaten und Japans nicht zu wiederholen.

Soziale Probleme, Stadt-Land-Gefaelle, beginnende Oligarchie und fehlende Menschenrechte hin oder her:

Wenn die Leute hier so weiter machen, sollten wir uns warm anziehen.


Position:Peking, China

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