Transsib, Tag 4.

Man kann ja wirklich nicht sagen, wir hätten es nicht versucht. Wir sind in der transsibirischen Eisenbahn, in der dritten Klasse. Wir hätten auch die vierte genommen, wenn es eine gäbe, oder die mit Gesangs- und Wodkagarantie, könnte man die buchen. Wir hatten - nicht unser Verdienst - zuerst zwei Soldaten im Abteil (jene beiden Jungs, von denen schon die rede war), und jetzt sicher zwei Dutzend davon, aber es bleibt wie es war - ruhig.

Gut, die Soldaten sind frische Rekruten, nicht eben Veteranen des tscheschenienkriegs oder so, keine kampfgestählten Soldaten mit vernarbten Gesichtern und eiskalten Augen, sondern Frischlinge, Jungs um die 20 Jahre.

Aber alles es bleibt wie es ist. Keine Wodkaflaschen werden ausgepackt, es wird nicht lautstark gewürfelt - die Jungs halten nicht mal Augenkontakt aufrecht. Ein mal wurden wir von ihnen angesprochen - einer der Soldaten kommt zu uns und brabbelt irgend etwas, ich antworte in meinem besten (und einzigen) russisch 'Ya ni panimajo barusski' ('ich verstehe kein russisch'), aber immerhin habe ich Moskau verstanden, und er zeigt auf meine Uhr. Keine Ahnung, warum die wissen das meine Armbanduhr noch auf Moskauer Zeit steht. Wir sind ja mittlerweile vier Zeitzonen und ebensoviele tausend Kilometer - irrwitzig, da drüber nachzudenken - von dort entfernt.

Aber natürlich zeige ich ihm also die Uhr, und er bedankt sich fast untertänig und schleicht (er schleicht tatsächlich) mit einem spasiva (Danke) von dannen.

80? <== dieser Achtziger steht hier, weil beim schreiben dieser Zeilen die nette alte Dame mit dem Verpflegungswaegelchen (Schokolade, Chips, Bier und Limonaden) vorbeigekommen ist. Ich hab ein 7UP bestellt, sie brummelt mal wieder irgendwelche Zahlen - ich verstehe ja nach wie vor nur sto (hundert), konnte mich aber entsinnen, das das Pepsi gestern 80 Rubel gekostet hat. Also tippe ich 80 ein, und ein Fragezeichen, und tippe darauf. Sie grinst, ich bezahlte, und weg ist sie wieder. So laufen hier die meisten Transaktionen ab.

Jedenfalls verbleiben in dieser ersten und längsten Teilstrecke noch gerade mal 13 Stunden. Heh. Gerade mal 13 Stunden. Hätte auch nicht gedacht, das ich mal von 'nur' 13 Stunden Zugfahrt sprechen würde, aber es ist tatsächlich so. Noch ein wenig lesen, einen freien Platz an der Steckdose für den iPod abwarten, und die endlosen Birkenwälder vorbeiziehen sehen. Natürlich nicht nur, nach einigen tausend völlig flachen Kilometern[1] gibt es seit Krasnojarsk wieder Hügel. Sieht fast aus wie daheim.

Krasnojarsk, das ist auch so eine Sache. Es ist fast surreal, diese ganzen großen russischen Städte vorbeiziehen zu sehen. Alles da: Omsk, Nowosibirsk, Krasnojarsk, Jektarinburg. Bald sind wir eine Woche unterwegs, aber es fühlt sich noch immer nicht so an - ganz egal, ob ich jetzt 6 Zeitzonen von Österreich weg bin. Bin neugierig, wann sich wirkliches Reisegefühl einstellt. Irgendwo in meinem Hinterkopf ist da hartnäckig die Vermutung, dass es erst in irgendeinem mongolischen Ger soweit sein wird, aber wir werden sehen.

[1] muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Einigen TAUSEND flachen Kilometern.

Kommentare

  1. in anbetracht der irren hitze hier hören sich idyllische birkenwäldchen sehr verlockend an!!! ;-)

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